Rezension: Alma Mater – Birthe zur Nieden

Eine richtige Rezension kann ich hierzu leider nicht schreiben, ich bin nämlich schwerst voreingenommen – ich habe das kleine Pflänzchen als Idee kennengelernt, im Schreibprozess das Wachstum begutachtet, zwei Versionen probegelesen und nun das im Francke-Verlag veröffentliche Endresultat gelesen.

Andererseits fühlt es sich auch komisch an, das Buch NICHT zu rezensieren, nur weil seine Autorin eine meiner engsten Freundinnen ist.

Daher kurz und knackig:

Der Dreißigjährige Krieg hat Europa fest im Griff. In Hessen herrschen wie an vielen anderen Orten auch Mangel, Unsicherheit und Angst. Der Jugendliche Georg entkommt knapp dem Tod durch feindliche Söldner und beschließt, zum Dank sein Leben Gott zu widmen und Pfarrer zu werden. Hierfür muss er nach Marburg an die Universität gehen, was ihm dank einer großzügigen Patin, die ihm finanzielle Unterstützung für sein Vorhaben zusagt, auch gelingt.

Grundlage des Romans ist ausgiebige historische Recherche, und daraus ergibt sich auch der Schwerpunkt der Geschichte: Es geht nicht um Heldentaten, nicht um außergewöhnliche Leistungen im heutigen Sinn. Georg ist kein charismatischer Protagonist, sondern ein realistischer Mensch mit Unsicherheiten, Vorurteilen und Träumen. Statt eines stringenten Plots beschreibt der Roman vor allem Georgs Entwicklung über etliche Jahre hinweg parallel zu den Entwicklungen des Krieges, und vor allem erhalten Leser ein dichtes Bild vom Alltag der damaligen Zeit.

Studentendasein war damals, freundlich ausgedrückt, etwas anders als heute – der Degen saß bei saufgelageinspirierten Raufereien lockerer und wurde auch gerne genutzt, um die Stadtbevölkerung zu terrorisieren, wenn keine höhere Gewalt hinschaute. Und natürlich war das ohnehin jungen Männern vorbehalten, wie auch sonst alles, was zu Einfluss und eigenem Einkommen führte.

Dass wir als Leser dennoch authentische, interessante Frauenrollen ohne die übliche Falle der „starken modernen Frau“ kennenlernen dürfen, ist für mich eines der Sahnehäubchen des Romans, der anders als viele andere auch in theoretisch „einfachen“ Figuren vielschichtige Persönlichkeiten entdeckt. Menschen sind nämlich so – immer komplex, auch als nichtheldige Ehefrauen oder welterfahrene Soldatentöchter.

Also hat man hier einen Text irgendwo im Schnittpunkt zwischen Bildungsroman, Sittengemälde, Geschichtsbuch, theologischem Diskurs und Charakterstudie und kann sich einfach auf viele Stunden niemals langweiliger Episoden aus dem verrückten Alltag eines dauerhaft vom Krieg gebeutelten Landes freuen, mit den Höhen der ersten Liebe und den Tiefen einer Stadtplünderung.

Wer mehr wissen will: hier geht es zu Birthes Website. http://birthezurnieden.de

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