Game-Rezension – Persona 5 (spoilerfrei)

Vorgeschichte

Ein Spiel, das ich eigentlich schon aufgegeben hatte, weil ich zu Anfang nicht verstanden hatte, wie man es spielen müsste, und Richtung Ende dann dadurch etliches einfach nervig wurde –

Aber dann war Persona 5 Royal (quasi eine Neuauflage des Spiels mit neuen Mechaniken, verbessertem Storytelling und einigen neuen Figuren) im Angebot und ich war neugierig, was dort verbessert worden war. Und zack war ich fast schon da, wo ich im Originalspiel festhing, weil Royal sowas von GUT ist.

Also musste ich dann doch erstmal das Originalspiel beenden, sonst kann man ja nicht vernünftig vergleichen.

Daher gibt es hier erstmal die Rezi zum Originalspiel – denn bei Royal habe ich zwar auch schon 105 Stunden auf der Spieluhr, aber bin noch weit vom Ende entfernt. Für das Originalspiel habe ich etwa 130 Stunden gebraucht. Wenn ich Royal beendet habe, folgt vermutlich noch eine Rezi dafür.

Übrigens: Playstation-Nutzer mit PS+ Abo können das Originalspiel kostenlos über die „Classics“ spielen – ich empfehle aber, stattdessen das Geld in die Royal-Version zu investieren, die ungleich mehr bietet und es absolut wert ist.

Zum Spiel

Allgemein

Persona 5 ist mein erstes Spiel der Persona-Reihe. Es wird als JRPG bezeichnet, ist allerdings sehr anders als Reihen wie Final Fantasy oder Tales: Es spielt im heutigen Japan, die Figuren sind Oberschüler und neben dem üblichen Monsterschnetzeln zwecks Level-Ups besteht ein nicht geringer Teil des Spiels aus einer unfassbaren Menge Mikromanagement und Ablenkung.

Das Spiel bietet neben dem japanischen Original eine fantastische englische Synchronisation, die ich jedem, der kein Japanisch kann, sehr ans Herz lege. Die Sprecher legen sich mit jeder Zeile wahnsinnig ins Zeug und erschaffen äußerst dynamische Charaktere, und wenn man die mehr als fragwürdige Aussprache japanischer Namen ignoriert, taucht man schnell in die Atmosphäre rein, ohne sich nur auf die Untertitel verlassen zu müssen.

Auf die Story will ich nicht näher eingehen, da sie einige tolle Drehungen und Überraschungen enthält und jede Silbe zuviel wäre. Wichtig ist nur zu erwähnen, dass das Storytelling bezüglich einer wichtigen Figur in Royal grundlegend verbessert wurde und allein aus diesem Grund das Originalspiel leider nicht mehr zu empfehlen ist. Außerdem führt Royal die Story nach dem Ende des Originalspiels weiter – dort bin ich derzeit noch nicht angelangt, aber schon sehr hibbelig zu sehen, was da alles noch kommt.

Die Grafik kann man getrost als einzigartig bezeichnen: ein realistischer Manga/Anime-Stil gepaart mit recht einfachen, aber eindrucksvollen Effekten, dicke Comic-Menüs und die Cutscenes dann komplett als Anime. Es ist wirklich schwer zu beschreiben. Auf jeden Fall zieht die Optik einen sofort in den Bann, weil man nicht unfreiwillig an andere Spiele erinnert wird, sondern sich ganz auf etwas bis dato unbekanntes einlassen kann. Ich habe das Spiel auf der PS4 gespielt und es läuft dort so gut, dass ich es nicht extra auf die PS5 übertragen wollte – mehr Grafik-Power bringt nicht viel, das Spiel ist nicht High-End, aber dennoch unfassbar ästhetisch.

Die Musik ist ebenfalls ungewöhnlich für JRPGs, keine epischen Orchester oder Chöre, stattdessen Jazz und Funk mit Hip-Hop-Einschlägen, rhythmisch und dynamisch und – wenn es in Bosskämpfen darauf ankommt – durchaus nicht weniger episch als klassischere Soundtracks. Der Stil passt fantastisch sowohl zur Grafik als auch zum Gameplay und den Figuren und ich ertappe mich ständig dabei, „you’ll never see it comiiiiiing“ zu summen.

Die Spielentwicklung läuft über ein gnadenloses Kalendersystem. An jedem Tag hat man zwei Slots für Aktivitäten – nachmittags und abends, dann ist Abend und das Spiel rückt auf den nächsten Tag vor. An Schultagen erlebt man tagsüber manchmal noch Sachen in der Schule, an freien Tagen aber passiert bis zum Nachmittag einfach nichts – vermutlich schläft unsere Hauptfigur dann ziemlich lange und hilft anschließend ein wenig im Café aus oder gammelt sonstwie vor sich hin, immerhin ist er 17, da macht man das so. Da nicht alle Aktivitäten jeden Tag zur Verfügung stehen, sollte man jeden Tag gut überlegen, wie man seine knappe Zeit investiert, was durch die unfassbar vielen Möglichkeiten nicht gerade erleichtert wird. Das Spiel erinnert einen auf Ladebildschirmen mit dem Spruch „Take Your Time“ immer wieder daran, aber es sagt sich so leicht, wenn es soooo viel zu tun gibt …

Das Spiel ist zugleich JRPG, Schulsimulator, Dating-App, Pokémon, Edutainment (besonders über Kaffeesorten und Mythologie) und vor allem sehr gut darin, interessante Figuren spannend weiterzuentwickeln.

Charaktere

Die Figuren sind überhaupt die größte Stärke des Spiels: Vielschichtig, komplex und äußerst menschlich mit Eigenarten, Unsicherheiten und Überzeugungen. Unser „Joker“, den wir im Spiel frei nach eigenem Gusto benennen können, ist ein unauffälliger, vorbestrafter, schweigsamer Kerl und daher etwas unnahbar. Ich zumindest habe mich nicht in ihn hineinversetzen können, was aber keinesfalls der Spielfreude Abbruch getan hat. Man darf nur keinen Cloud aus Final Fantasy VII mit komplexer Charakterentwicklung erwarten – dafür gibt es die anderen Figuren. Joker dient wirklich eher als Spielfigur, um alles andere im Spiel zu erforschen, und dafür ist er ausgesprochen gut konzipiert.

Unsere Party besteht am Anfang nur aus Joker, aber schon nach etwa einer Stunde kommt ein Mitschüler dazu, um mit uns das mehrstündige Tutorial für die Kampf- und Welt-Basics zu bestreiten, in dessen Folge wir auch Morgana kennenlernen, der erstens trotz seines Namens männlich und trotz seines Aussehens keine Katze ist (sagt er). Im weiteren Verlauf des Spiels vergrößert sich die Party immer mehr, so dass uns ab der Spielhälfte ein ordentlicher Fundus unterschiedlicher Persönlichkeiten und Kampf-Fähigkeiten zur Verfügung steht, um Missionen so zu erfüllen, wie es uns als Spieler entgegenkommt. Jedes Partymitglied bringt seinen eigenen Plot in Form des Kennenlernens und Anfreundens mit, aber auch danach geht es weiter, da man die Beziehung zu jedem einzelnen pflegen kann (und sollte), um mehr über die Figur zu erfahren und außerdem sehr hilfreiche Perks für Kämpfe zu erhalten.

Neben der Party ist das Spiel aber auch unglaublich reich an Nebenfiguren, mit denen man ebenfalls Beziehungen pflegen kann: die etwas zwielichtige Ärztin aus der Privatklinik, deren persönliches Meerschweinchen wir werden können; der verschlissene, aber immer noch überzeugte ältere Politiker; die junge Shogi-Spielerin mit viel Ehrgeiz; die ihre Kunden betrügende Wahrsagerin; die ausgebrannte Reporterin auf der Suche nach DER großen Story für ihren Karriereboost; unser unscheinbarer Mitschüler mit Minderwertigkeits-Größenwahn; der talentierte Gamer aus der Mittelschule mit schwerem familiärem Hintergrund; und natürlich auch unser Bewährungshelfer Sojiro Sakura, in dessen Café Joker aushilft und außerdem dort auch auf dem Dachboden sein Zimmer hat. Hab ich wen vergessen? Bestimmt. Jede dieser Figuren hat wie auch die Party-Mitglieder 10 Bekanntschafts-Level, die es sich auszureizen lohnt, um Perks für Kämpfe und andere Spielfunktionen zu erhalten.

Alltagsmanagement

Neben den Freundschaften sollte man auch seine fünf sozialen Skills weiterentwickeln, da man sonst bei den Freundschaften irgendwann auch nicht mehr weiterkommt und auch andere Spielelemente von den Skills abhängen. Jeder der fünf Skills hat fünf Level und es dauert ziemlich lange, bis man ein Level Up bekommt. Je nach Skill sammelt man Punkte zum Beispiel durch folgende Aktivitäten: Lernen, Baseballschläge üben, ins Badehaus gehen, einem Nebenjob nachgehen, Kinofilme oder DVDs angucken, Bücher lesen, Videospiele spielen, shoppen gehen, Kreuzworträtsel lösen, Wäsche waschen, Kaffee oder Curry zubereiten (Items für die Kämpfe), und noch sehr viel mehr.

Je nach Aktion und Zeit im Spiel beschneidet leider unser katzenhafter Gefährte Morgana unsere Aktionsmöglichkeiten – und das teils sehr unnötig nervig. In Royal wurde hier sehr viel nachgebessert, so dass es zwar z.B.  nach einem Besuch im Metaversum keine Möglichkeit gibt, die Stadt zu erforschen, man aber zumindest daheim im Café noch Dinge erledigen kann.

Es ist sehr leicht, sich in all diesen Möglichkeiten zu verlieren, was ich am Anfang auch getan habe, weil ich in RPG-gewohnter Manier stark plotfokussiert gespielt und dadurch Dinge übersehen habe. Persona 5 spielt sich umso besser, je weniger man es als Reihe von Dungeons ansieht. Es ist in gewissem Sinne ein weitaus kompletteres RPG als die meisten anderen, da man wirklich den gesamten Tag eines Schülers jeden Tag ausfüllt und miterlebt – nur dass dieser Schüler eben nach der Schule in das Metaversum gehen kann, um dort in den Gedankenpalästen verkorkster Menschen Schatten zu bekämpfen und schließlich die Ursache der Verkorkstheit zu beseitigen, indem man „das Herz stiehlt“.

Personas und das Metaversum

Die titelgebenden Personas sind Kreaturen, die aus dem Herzen von Menschen geboren werden. Unser Held Joker erhält seine Persona Arsène in einer lebensgefährlichen Situation und kann mit seiner Hilfe Magie einsetzen, um Schaden zu verursachen. Joker trägt seinen Namen übrigens, weil er mehrere Personas haben kann, während normale Menschen eine ihrem Charakter entsprechende Persona haben. Aber Joker ist quasi ein Pokémon-Jäger, so dass man bei jedem Kampf am besten dafür sorgt, eventuell noch nicht bekannte Personas einzufangen, was nicht immer leicht ist.

Man kann allerdings auch bereits gefangene Personas fusionieren, um dadurch neue Personas zu erhalten. Diese Funktion und auch etliche Weitere – Personas zu Items umwandeln, Personas trainieren oder aber auch überflüssige Personas opfern, um gute Personas zu stärken – erhält man durch den „Velvet Room“, der von einem langnasigen Typ namens Igor und den kleinen, aber ziemlich fiesen Zwillingen Justine und Caroline regiert wird. Man residiert dort als Gefangener und erhält nach und nach weitere Fähigkeiten, um das Persona-Management zu perfektionieren. Personas leveln und erhalten je nach Level neue Fähigkeiten dazu, man kann sie aber auch mit Skill Cards zusätzlich versorgen.

Der Velvet Room ist Teil das Metaversums, das auch die Paläste von Menschen enthält, in die wir mit unserer Truppe eindringen könne, um das Herz des jeweiligen Eigentümers zu stehlen. Im Lauf des Spiels gibt es etliche Missionen hierfür, alle mit Deadline, was das oben erwähnte Zeitmanagement noch mal etwas schwieriger macht.

Zusätzlich zu den Palästen gibt es auch noch Mementos, quasi der Palast der allgemeinen Bevölkerung. Hier können wir herumstrolchen und gemütlich hochleveln oder aber Aufträge erfüllen, die wir über unsere Freunde oder unsere Fan-Site erhalten. Leider gibt es ansonsten in Mementos nicht viel andere spannende Dinge zu erledigen, so dass das Ganze ziemlich wiederholend und teils unbefriedigend wird – auch hier hat Royal ordentlich nachgebessert und sorgt für mehr Spaß.

Kämpfe

Die Kämpfe sind rundenbasiert und je nach Schwierigkeitsstufe durchaus knifflig. Einige Bosskämpfe sind schwer durchschaubar, da sie individuelle Mechaniken enthalten, mit denen man umgehen muss, und da kann man auf höherer Schwierigkeit schon ordentlich ins Schwitzen geraten. Zum Glück kann man die Schwierigkeit im Spiel frei anpassen und sich somit Frustmomente ersparen.

Als Joker kann man je nach Level eine bestimmte Anzahl von Personas mit im Gepäck haben, die man gut aufstellen sollte, um möglichst viele Skills abzudecken. Unsere Gefährten haben jeweils eine bestimmte Skill-Richtung –  z.B. Feuermagie und Statusänderungen, Eismagie und physische Angriffe, Psychokinese und Schusswaffen, etc. Also sollte man je abhängig von den erwarteten Gegnern sein vierköpfiges Team so aufstellen, dass man möglichst ohne größere Schäden durch die Kämpfe kommt. Joker ist natürlich immer dabei, aber die anderen drei Mitstreiter sind frei wählbar und – abhängig von Jokers Level – auch im Kampf austauschbar, was allerdings Joker eine Aktion kostet.

Interessant werden die normalen Kämpfe durch die Möglichkeit, Personas einzufangen oder aber von ihnen Geld oder Items zu erpressen. Manchmal lohnt es sich nicht, einen Gegner zu töten, weil man anderweitig mehr Gewinn erzielt. Royal setzt hier noch einmal einige Sahnehäubchen obendrauf und sorgt für weitaus mehr Ansporn, alle Optionen auszuprobieren und den größten Profit herauszuschlagen; auch lockert es Kämpfe mit Showtime-Effekten der Teammitglieder auf und ermöglicht es, bereits gefangene Personas noch einmal zu fangen, um die im eigenen Inventar befindlichen mit den gefangenen aufzuleveln. Der Spielspaß ist bei Royal ungleich höher, auch wenn das Originalspiel besonders bei Bosskämpfen schon wirklich einiges zu bieten hat.

Fazit

Persona 5 im Originalspiel erhält von mir 7/10 Punkten. Das sehr langwierige Gameplay bietet oft nur mäßig Ansporn zur Vertiefung, und die Story hat in Punkto Charakterentwicklung eines wichtigen Gegenspielers leider einige Schwächen. Dennoch ist es ein sehr unterhaltsames Spiel, das ich jedem empfehlen würde, wenn es nicht Royal gäbe.

Persona 5 Royal rangiert, obwohl ich es noch nicht abgeschlossen habe, bei ca. 9/10 Punkten, da es wirklich nicht mehr viel gibt, was man hier noch verbessern könnte. Es ist eines der unterhaltsamsten und spannendsten Spiele, die ich je gespielt habe – und das, obwohl ich die Story bereits durch das Originalspiel kenne. Die Spielmechanismen sind ausgereift, die Entwicklung von Joker und seinem Gegenspieler fantastisch erzählt, kurz, ich warte mal das Ende ab und würde mich nicht wundern, wenn ich bei 10/10 lande. Ich bin gespannt.

Schreibe einen Kommentar